Als wir gestern nach Einbruch der Dunkelheit in Húsavík ankamen, stellten wir unsere „Ramme“ auf den offiziell schon geschlossenen Campingplatz neben ein ganze Reihe weiterer Camper. Obwohl der Nachthimmel klar war, konnten keine Nordlichter erspäht werden. Also ging es nach einem rudimentären aber trotzdem leckeren Tomaten-Thunfisch-Salat in die Betten und morgens bei bewölktem Himmel wieder raus. Da wir wegen des vorhergesagten Sturms eine möglichst frühe Wal-Tour bekommen wollten, sind wir – ohne zu Frühstücken – schon vor den Öffnungszeiten der Kassen am Hafen angekommen. Wir buchten für ca. 80€ pro Person eine „Standard-Tour“ auf einem der Holzschiffe, die um 10:30 Uhr starten würde.
Nun hatten wir ca. eineinhalb Stunden Zeit irgendwo etwas in den Magen zu bekommen. In den unmittelbar benachbarten Hafen-Kaffee und Restaurants wurden wir nicht fündig, die unverschämten Preise stießen uns ab. Also entfernten wir uns etwas vom Touri-Schwerpunkt Húsavíks. Eine Seitenstraße weiter, entdeckten wir eine Bäckerei mit Gastraum und aßen leckere Brötchen und süße Teilchen zum Tee bzw. Café zu für uns moderaten, dem Isländischen Niveau entsprechenden Preisen. Nach dem gemütlichen Frühstück begaben wir uns zum Hafen und zu unserem Schiff (rechts im Bild).
Obwohl wir pünktlich, die geforderten 30 Minuten vor dem Ablegen vor Ort waren, sind die meisten unserer Mitbeobachter, schon auf dem Schiff beim in die bereit gestellten Schutzanzüge hineinschälen gewesen. Bis wir das auch, jeweils auf einem Bein tänzelnd, erledigt hatten, begann das Schiff auch mit dem Ablegemanöver. Mit Blick auf die mit Schneeresten besprenkelten Hänge des Kinnarfjöll auf der gegenüber liegenden Seite der Bucht verlassen wir den Hafen.
Während die Aufklärung, dass Wale natürlich nicht garantiert werden können und wie man das mit „Wal auf 2 Uhr“ zu verstehen hat, abgespult wird, tuckern wir über das Wasser. Der Himmel ist bewölkt und der Wind ist moderat. Die See ist vergleichsweise ruhig und das Frühstück scheint sich entschieden zu haben, im Magen zu bleiben. Nach einer Weile wird „Wal auf keine Ahnung mehr wie viel Uhr“ gerufen und alles Blickt in die selbe Richtung. Ein kleiner dunkler Punkt unterhalb des Horizonts, soll also eines dieser größten Säugetiere der Welt sein?
Mit der stärksten Tele-Einstellung der mir zur Verfügung stehenden Objektive, kann der Punkt am Horizont von zehn Pixeln auf ein paar hundert Pixel im Bild heran gezoomt werden. Die fachkundige Bootsdurchsage, verrät uns, dass es sich um einen der etwas kleineren Mink-Wale handelte.
Nun ja, nach dieser Begebenheit konnte nun niemand mehr behaupten, die angebliche Walsichtungsquote von 99% bei dem Anbieter wäre übertrieben.
Während wir mit dem Schiff gemütlich über die Bucht tuckerten, rasten die für deutlich mehr Geld buchbaren Schnellboote an uns vorbei. Immerhin hatten sie den Vorteil anzuzeigen, wo gerade ein Wal auftauchte. Wenn man wachsam war, konnte man das aber auch am Blas des Wals erkennen.
Sofort steuerte unser Kutter auf die Stelle zu. Aber bis wir angekommen sind, war der Wal auch wieder am abtauchen, was – den Erklärungen zu Folge – an dem rund gebeugten Rücken zu erkennen sei.
Mit dem Tele-Objektiv konnte man dann immerhin noch die beim Abtauchen von Buckelwahlen typischerweise kurz aus dem Wasser ragende Fluke fotografieren.
Da ein Wal ein verdammt großes Lungenvolumen hat, kann es bis zu 10-15 Minuten dauern bis er wieder zum Luftholen auftaucht. Eine langweilige Zeit, die man auf dem Boot mit in die Landschaft gaffen und weitere Beobachtungsboote beobachten verbringt. Das hier hatte zur Abwechslung mal ein paar Segel gehisst.
Zum Glück tauchte der Buckelwal dieses mal ganz in der nähe unseres Schiffes auf. Das erlaubte eine Serienaufnahme des Ausatmen (Blas genannt) zu erstellen.
Nun dümpelte das riesige Tier in ordentlicher Beobachtungsentfernung zum Schiff und man konnte die namens-gebenden Buckel am Kopf erkennen, sowie die bei diesem Exemplar relativ kleine Rückenfinne.
Eins der Schnellboote stürmte dann noch heran. Folglich gelang es uns die hier besonders häufig auftretende Art des Homo-Wal-Observatiensis im typischen Habitat zu erhaschen. Ach, und ein Wal war sogar auch noch da.
Keine Ahnung ob wir nochmal warteten bis nach einem erneuten Tauchgang der Wal wieder aufgetaucht ist. Jedenfalls sind einige der letzten Fotos die ich vom Wal beobachten mitgebracht habe, noch ein Bild des Wals in fast voller Länge und nochmal eine Reihe von Bildern der abtauchenden Fluke.
Das Schiff nahm wieder Fahrt auf, und zwar zurück Richtung Hafen. Um die nun wieder etwas langweilige Zeit etwas zu verkürzen, wurden Zimtschnecken mit heißer Schokolade serviert. Offensichtlich waren sie nicht jederfraus Geschmack, denn ein paar davon landeten als Vogelfutter in den Schnäbeln der herumfliegenden Möwen. Ebenso setzte leichter Regen ein und der Himmel wurde von Süden her immer dunkler.
Bei noch erträglichem Wetter kamen wir im Hafen an und bedauerten schon die in einer unübersehbaren Schlange anstehenden Touris für die nächste Tour. Wir schälten uns aus den für heute viel zu warm haltenden Anzügen raus und verließen mit einem am unteren Ende der Begeistrungsskala liegenden Eindruck das Schiff.
Unser nächstes Ziel war das nicht weit entfernte Walmuseum in Húsavík. Der vergleichsweise günstige Eintritt ist viel besser angelegtes Geld. Denn in ansprechender und sehr informativer Art wird die Anatomie, die Lebensräume und die Bedrohung der Wale dem Besucher nahe gebracht. Das am meisten beeindruckende Ausstellungsstück ist das auf dem rücken liegende Skelett eines im Jahre 2010 auf Island gestrandeten Blauwals.
Wir verbrachten im Museum viel mehr Zeit als wir erwarteten. Außerdem waren wir in einem geschlossenen Gebäude und haben nicht mitbekommen, was in der Zwischenzeit draußen abging. Als wir wieder in unsere Ramme steigen wollten, kämpften wir mit dem heftigen Wind. Als wir los fuhren, merkten wir wie der Wind am Camperaufbau rüttelte. An eine Weiterfahrt war nicht zu denken und wir beschlossen die gewonnene Zeit im Schwimmbad zu verbringen. Folglich lagen wir im Windschatten des Sichtzauns im 38°C warmen Hot-Pot des Húsavíker Bads. Um uns herum klirrten Fenster, die wenigen Bäume um das Bad bogen sich bedenklich im Wind aber wir genossen die wohlige Wärme des Wassers.
Nach mehreren Stunden in den abwechselnd warmen oder heißen Becken merkten wir, wie der Sturm, fast genau so schnell wie er gekommen war, auch wieder nachließ. Es tauchten sogar blaue Stellen am Himmel auf. Da der Wetterbericht für morgen wieder hoffnungsvoll aussah, sind wir vorsorglich wieder zum Mývatn gefahren und verbrachten eine zweite Nacht am selben Campingplatz wie vorgestern.
Wir hatten für den heutigen Tag, die für das vorhergesagte Wetter richtige Entscheidung getroffen. Der Vormittag war zwar eine typische Touri-mit-bescheidenem-Mehrwert Veranstaltung, jedoch eine optimale Nutzung der „Ruhe vor dem Sturm“. Während dem Sturm im warmen Wasser des Freibads zu liegen, war eine angenehm eigenartige Erfahrung. Obwohl jedes Ereignis einzeln für sich nichts besonderes war, ergab das Ganze wieder so eine Mischung, die man vermutlich nur in Island erleben kann.