Irgendwie scheint das isländische Wetter einen neuen Rhythmus eingenommen zu haben. Ein Regen-/Schlechtwetter Tag im Wechsel mit einem sonnigen freundlichen Tag. Und nach diesem Schema stehen wir heute bei wunderbar blauem Himmel am Campingplatz Hlíð am Mývatn auf. Unser Etappenziel ist zwar Akureyri, aber auf dem Weg dahin wollen wir das Hochland noch einmal streifen. Nach Skyrfrühstück packen wir unsere sieben Sachen und verlassen den Mývatn über die nordwestlich führende Ringstraße 1 und erreichen die herbstlich bunte Mývatnsheiði.
An der Stelle wo die den Mývatn entwässernde Laxá nach Norden abfließt, schieße ich dieses Abschiedspanorama der wunderbaren Landschaft um diesen berühmten See.
Aber wir bleiben nicht lange auf der Ringstraße, denn schon in der Vorbereitungsphase für diese Reise habe ich in den Karten eine nicht überall gekennzeichnete Straße entdeckt, die vom Mývatn Richtung Skjáljandafljót führt. Sie wird in einigen Karten als 8819 oder Mývatnsheiðarvegur geführt und macht ihrem Namen alle Ehre. Die im Sonnenlicht wunderbar bunt leuchtende Heidelandschaft beherbergt ein paar wenige Bauernhöfen in malerischer Umgebung.
Wir sind allein. Weit und breit kein weiterer Tourist außer uns. Es ist schon fast unheimlich und wir genießen die Weite der Landschaft als ein SUV von einem der Bauernhöfe angefahren kommt und bei uns stehen bleibt. Eine Dame mittleren Alters steigt aus und spricht uns auf isländisch an. Sie wirkt erregt aber nicht ärgerlich. Sie scheint kein englisch Sprechen zu können und zum ersten mal auf diese Reise bedaure ich, dass die Kommunikation nicht funktioniert. Aus dem wenigen was wir vermuten Verstanden zu haben, sollen wir warten, denn es würden viele Pferde kommen. Genau so schnell wie sie bei uns war, verschwindet sie mit ihrem Fahrzeug über einen gesperrten Weg den nächsten Hügel hinauf und lässt uns ratlos stehen.
Wir genießen noch einige Minuten die Landschaft, Andy läuft den selben Hügel hinauf und wir versuchen zu erfassen was uns mitzuteilen versucht wurde, aber kommen zu keinem befriedigenden Ergebnis. Vermutlich findet an diesem Tag der Weideabtrieb der Island-Pferde aus der Umgebung statt. Das wäre wahrscheinlich ein lohnendes Fotomotiv. Aber selbst in der Ferne können wir nichts entdecken und fahren zögerlich und mit Zweifeln möglicherweise einen Fehler zu machen, unserem eigentlichen Ziel dem Aleyjarfoss entgegen.
Wir erreichen diesen indem wir von der 8819 kommend auf der 843 nach Norden abbiegen und dann die Brücke (844) zur 842 nehmen und wieder Richtung F26 nach Süden fahren. Bis zum Parkplatz beim Aldeyjarfoss muss ein kurzes Stück der F26 nach Süden genutzt werden, was mit unserer 4×4-Ramme ja kein wirkliches Problem ist.
Es scheint die Sonne und normalerweise findet man das ja gut. Doch bei diesem Motiv stören die kräftigen Schatten das fotografische Endergebnis.
Solche First World Probleme können aber auch auf Unverständnis stoßen. Zum Glück scheint in einigen Minuten eine etwas größere Wolke vor die Sonne zu ziehen. Bis es soweit war, konnte man leider auch hier die Dämlichkeit der Deppenzepter bewaffneten Touristinnen bedauern. Hier offenbar gepaart mit einem Drang eine Art Modeschau zu veranstalten, denn nur das erklärte den wiederholten öffentlichen Wechsel des Outfits. Und das ganze vollkommen unberührt von möglichen Fotografie-Interessen Dritter, indem man sich mitten in das Blickfeld des Wasserfalls positionierten. In solchen Augenblicken erschreckt man über sich selbst, weil die Schadenfreude überwiegen würde, wenn die riskante Felsenkletterei der „Narzistinnen“ zu einer Katastrophe führen täte.
Um die Zeit, bis die Störerinnen und die Sonne den Ort des fotografischen Begehrens verlassen werden, zu nutzen, entstanden die Bilder des Flusses, der nach dem Wasserfall in einem schön anzusehenden Bogen und entlang eindrucksvoller Basaltformationen wieder in die Weite des Tals im Hintergrund fließt.
Wie erwartet schob sich die Wolke vor die Sonne. Wir opferten abwartend wertvolle Zeit, bis die vorhin erwähnten Vorturnerinnen ihr egoistisches Programm durchgezogen hatten. Auf den uns nun gelungenen Fotos ist der kleine Regenbogen zwar verschwunden, aber die Kraft des aufgewühlten Wassers wird plastisch sichtbar und unsere fotografischen Ambitionen werden erfüllt.
Doch offenbar ist die Wolke nicht nur eine Schönwettererscheinung gewesen sondern ein Vorbote des nächsten Wetterumschwungs. Jedenfalls verlassen wir den malerischen Aldeyjarfoss und brausen auf der 842 wieder nach Norden. Der „high-speed“ Feldweg fühlt sich mit den erlaubten 80km/h viel glatter an, statt im langsamen Tempo jede Waschbrett-Welle einzeln zu spüren zu bekommen. Jedenfalls haben wir dadurch ein wenig Zeit aufgeholt, die am touristisch überrannten Goðafoss schnell wieder geopfert werden muss.
Diese Attraktion liegt für die Touristenströme günstig direkt an der Ringstraße nicht weit von der Stelle wo die 842 in die 1 einmündet. Entsprechend überrannt ist es. Der Wasserfall kann von beiden Seiten besichtigt werden und eine Brücke für Fußgänger verbindet beide Seiten. Inzwischen hat die Bewölkung weiter zugenommen und nur noch fahler Sonnenschein dringt durch hohe dünne Wolken. In den Langzeitbelichtungen verleiht das dem Wasser einen metallischen Glanz.
Über eine angelegte Treppe darf man an der Ostseite bis an das Flussufer unterhalb des Falls heran. So entstehen zwei unterschiedliche Interpretationen des Motivs „Mit Moos bewachsener Stein vor Götter-Fall“ von mir und meinem Freund (Nennung in Bildreihenfolge).
Durch auf Touristen warten, bis sie das Bild verlassen, vergeht die Zeit für weitere Tagesabenteuer. Gerne hätte ich auf der 832 den Berg Richtung Akureyri überquert, aber das schien mir angesichts der Tageszeit zu riskant. Also sind wir brav die 1 vom Goðafoss bis zur Stadt mit den Herz-Ampeln durchgefahren.
Wir umrundeten zwei mal den innerstädtischen Campingplatz, bis wir die Einfahrt entdeckten und fanden mehr als ausreichend Platz für unsere Ramme, obwohl er angeblich nur für Zelte vorgesehen sei.
Nachdem wir die notwendigen umbauten für’s Schlafen und Anschlüsse (Strom) gelegt haben, entscheiden Michi und ich abends noch etwas durch die Stadt zu gehen. Wir laufen den Berg hinunter an der Hauptkirche vorbei und treffen auf das Stadtzentrum. Diverse Restaurants werben mit Wal-Fleisch und wir fühlen uns davon abgestoßen. Wir wollen der weiteren Ausrottung der Wale keinen Vorschub leisten.
Also laufen wir noch etwas Richtung Hafen als Michi eine Restaurant Rezension im Internet fand, die Lust auf leckeres Essen macht. Als wir an der Eingangstür nur den Hinweis sehen, mit dem Fahrstuhl nach oben zu fahren, ahnen wir, dass es wohl nicht ganz billig werden wird. Seit Tagen unrasiert, aber wenigstens für heute Abend halbwegs ordentlich gekleidet, werden wir freundlich an einen Tisch am Fenster gebracht. Ich esse ein Menü mit Sushi als Vorspeise, dem leckersten Wolfsbarsch meines Lebens als Hauptgericht und Skyr mit Schoko, Nüssen und Heidelbeeren als Nachspeise. Die Zubereitung und Präsentation war vom feinsten und wir sind froh, dass wir dem ersten mulmigen Gefühl beim betreten des Aufzugs ins Strikið nicht nachgegeben haben. Der Abend war einer der luxuriösten und teuersten im ganzen Urlaub, aber er hat sich in jeder Facette gelohnt.