Grau blaues Ende

Abschiedsblues

Es beginnt der letzte Besuchstag dieser Reise. Wir wachen auf dem sehr gepflegtem Campingplatz von Grindavík auf. Grindavík ist zudem der Ort in dem wir für unsere Spontan-reise im Januar 2016 alle Übernachtungen (damals in einem Hotel) gebucht hatten. Wir fühlten uns wie in vertrauter Umgebung. Schon beim vorletzten Camper-Frühstück wilderten wir überschüssige Teile unserer Vorräte in der Küche des Gemeinschaftsraumes aus.

Das Besuchsprogramm sollte heute das westliche Ende der Reykjanes Halbinsel sein. Vieles war Michi und mir schon aus der Winterreise bekannt. Wir waren gespannt, wie sich das damals Gesehene in der „wärmeren“ Jahreszeit präsentiert.

Wir starteten im Süden entlang der Straße 425 nach Westen. Die Straße führt durch die Lava bis man an einem Kraftwerk ankommt. Im Winter bogen wir schon vor dem Kraftwerk links einem Schild zur Gunnuhver folgend auf eine eingeschneite Schotterstraße ein. Dieses mal nehmen wir die nach dem Kraftwerk abbiegende 443 zum Reykjanesviti (die entgegen der Erfahrung vom Winter) nun bis zum Leuchtturm asphaltiert wurde. Kurz vor der Gunnuhver kann man den westlichen Parkplatz erreichen und erspart sich somit das zweimal eine Stichstraße nehmen um sowohl die aktive heiße Quelle und die Klippen hinter dem Leuchtturm zu besuchen.

Der Wind weht eine schwefelig stinkende Dampfsäule weg von der Gunnuhver und man erkennt die zerstörten Überreste der früheren Besucherwege, die wohl bei den heftigeren Ausbrüchen im Jahr 2008 zerstört wurden. Seit 2010 sind neue Stege in einigem Abstand angelegt worden.

Vom Gunnuhver-Parkplatz blickt man auch auf den auf einem Hügel stehenden Leuchtturm Reykjanesviti.

Vom Leuchtturm sind es noch ein paar hundert Meter bis zur Küste. Dort steigen weitere Hügel auf, die dann senkrecht zum Ozean abfallen. Seitlich der Klippen liegen ein paar fotogene Felsen im Wasser. Schon mit einigem Abstand liegt eine weitere Klippe im Meer und ganz winzig am Horizont erkennt man die berühmte Vogelinsel Eldey.

Wenn man wieder zum Landesinneren blickt, wird der Leuchtturm von bizarren Lava-Felsen eingerahmt.

Wir nehmen die Umrundung der Halbinsel im Uhrzeigersinn wieder auf und landen bei der „Brücke über die Kontinente“. Da es dort Bustouristen verseucht ist, schlendern wir etwas Abseits des touristischen Hot-Spots durch die Landschaft und erkennen auch ohne Brücke die kontinentalen Risslinien (und unter einem dramatischem Wolkenhimmel noch einmal die Insel Eldey am Horizont).

Durch die letzten drei Wochen sind wir leider etwas zu faul zum Wandern geworden und verzichten vom Parkplatz an der Straße zum Hafnaberg zu stapfen. Dafür biegen wir in die winzige Siedlung Hafnir ein, die an diesem Samstag wie ausgestorben wirkt und nicht zum Verweilen einlädt.

Die Überlegung, den von fast jeder Stelle entlang der Küste im inneren der Halbinsel sichtbaren Berg Stapafell zu besuchen, zerschlägt sich an einer geschossenen Schranke, bei der Abzweigung von der Straße 44 nach Südosten. Ein Schild kennzeichnet den Weg als Privatstraße, die nur zu bestimmten Zeiten geöffnet sei und ausgerechnet Samstags immer geschlossen ist. Trotzdem verzichten wir auf die Alternative, den nordöstlichen Zipfel mit Garður, in unsere Halbinsel Besichtigungstour einzubauen.

Statt dessen fahren wir über die Autobahn (41) bis zur Abzweigung der 43 nach Grindavík und folgen den Schildern zur Bláa Lónið. Der gut gefüllte Parkplatz lässt vermuten was für eine Goldgrube hier hinter den Lava-Klippen versteckt ist. Statt uns in die Warteschlange, für den via Internet nicht im voraus gebuchten Einlass, zu stellen, entscheiden wir uns für die kurze Wanderung entlang des Kraftwerk Kühlwasser-Sees. Erste Ausläufer sah man schon von der Zufahrtsstraße. Jetzt steht man vor einem surreal wirkenden milchig weiß-bläulich-türkis schimmernden Seitenarm des Sees in der moosgrün gesprenkelten dunklen Lava.

Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man am Ufer die Steine betrachtet, die durch das Wasser von schwarz nach weiß um-gefärbt wurden. Kleine aus dem Wasser ragende Lavaformationen wirken ohne weiteren Bezugspunkt wie Luftaufnahmen von Vulkaninseln im Meer.

Landschaftsaufnahmen mit dem „Kühlwasserteich“ im Vordergrund wirken wie aus einer anderen Welt und die Island-Faszination breitet sich wieder aus.

Gleichsam als abschreckender Kontrast sind Teile des Sees durch Sicht schützende aufgetürmte Lava-Wälle für die zahlenden Blaue-Lagune Besucher abgetrennt. Ein kurzer Durchgang, durch die mit Devotionalien Verkauf lockende Eingangshalle der Blauen-Lagune, hat uns davon überzeugt, dass ein Besuch dieses Tourismus-Magnetes in einer zukünftigen Island-reise, gefahrlos von der TODO-Liste gestrichen werden kann.

Schon während der gesamten letzten Tage war so ein latentes Bedauern des Endes der Reise spürbar. Heute brach dieses Gefühl dann irgendwie endgültig durch. Der Tag hatte nicht wirklich mit einem ähnlichen Highligt-Knaller wie die beiden vorigen davon ablenken können. So ist es nicht mehr weit zurück zum Campingplatz von Grindavík, wo wir uns im Aufenthaltsraum ein letztes „Camper Abendessen“ zubereiten. Dabei treffen wir Menschen, die hier sind um Reisebegleiter zurück zum Flughafen zu bringen und selber dann nochmal zwei Wochen an die bisherige Einwöchige Reise dranhängen dürfen. Gerne würden wir uns ihnen anschließen können, aber der genehmigte Urlaub ist leider begrenzt. So verteilen wir noch verwertbare Reste unserer Vorräte so gut es geht unter den Menschen und legen uns leider bei bewölktem uns somit für Aurora undurchsichtigem Himmel ein letztes mal in die Betten unserer Ramme.

Der nächste Morgen und Vormittag ist mit Frühstücken, Aufräumen und problemlosen zurück geben „unserer Ramme“ belegt. Wir werden in Keflavik am Flughafen abgesetzt und nach einem letzten Becher Skyr, sitzen wir auch schon wieder im Flieger Richtung Frankfurt.

Ein denkwürdiger Urlaub geht zu Ende, der mehrfach die Erwartungen übertroffen hat. Eine Reise, in einer bisher nie da gewesenen Intensität, hinterlässt drei Freunde, die ein Teil ihres Herzens wohl für immer an diese wunderschöne Insel im Norden verloren haben.