Grau, gold, rot

Licht im Wandel

Nach dem gestrigen grandiosen Abend auf Dyrhólaey blieb nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr viel übrig, als wieder in Vík í Mýrdal am Campingplatz zu nächtigen. Damit erreichten wir am zweitletzten Tag der Reise ein zweites mal den selben Ort, und somit schloss sich die Kreisfahrt um die Insel nun endgültig.

Als wir am Morgen aufwachten war das Wetter besser als beim vorigen mal in Vík, aber leider doch mit grauem Himmel (die Wolken waren nur nicht so tief). Vor zweieinhalb Wochen waren die Wetteraussichten allerdings positiv, doch für heute gab es nur wenig Hoffnung auf zunehmende Wetterbesserung. Beim Frühstücken wurde nun Wert darauf gelegt, dass wir die noch vorhandenen Vorräte nun möglichst auf brauchen, damit wir vor dem Rückflug möglichst nichts entsorgen müssen.

Nachdem diese Prozedur abgeschlossen wurde, ging es wieder los Richtung Westen aber auch gleich mit einer Abzweigung nach Süden zum touristisch nur allzu gut bekannten Reynisfjara.

Noch auf Höhe der neu erbauten Restaurant-Touristenfalle, gleich nach den Gefahren-Warnschildern und noch ohne die gefährlichen Wellen gesichtet zu haben, sticht einer der markanten Reynisdrangar eindrucksvoll ins Bild. Das Licht durch die eine Wolkenlücke dahinter, ergänzt sich gut mit der nun endgültig herbstlich goldbraunen Restvegetation.

Erleichtert stellen wir fest, dass gerade Ebbe herrscht als wir am Strand ankommen. D.h. selbst die am weitesten auslaufenden Wellen haben mindestens 10 Meter Abstand zu der Basaltausbuchtung und Höhle.

Am Strand liegen ein paar tote Fische und man kann über die nass glänzenden rund geschliffenen Steine bis auf die Höhe der Reynisdrangar gehen. Doch da hinten ist der Blick auf die weltberühmten Felsen weniger eindrucksvoll als von etwas weiter westlich, wo man ursprünglich an die Küste gelangt.

Beim zurück gehen blickt man auf die in der Ferne (am anderen Ende des Strandes) liegende ehemalige Insel Dyrhólaey und erkennt nochmal die beiden Steinbögen.

Es treffen immer mehr Touristen an diesem Schwerpunkt der Isländischen Tourismusindustrie ein, was für uns das Zeichen ist nun wieder das „Weite“ zu suchen, sofern das bei den geplanten weiteren Schwerpunkten überhaupt möglich ist.

Wir lassen das neuerdings so berühmte Flugzeugwrack am Solheimasandur, wegen überfülltem Parkplatz, zweimal 4 km Fußweg hin und zurück und einsetzendem Nieselregen links liegen. Nach nur wenigen Kilometern weiter biegen wir zum nächsten Schwerpunkt, dem Skógarfoss ein.

Natürlich befinden sich an diesem Musterbeispiel eines Wasserfalls sehr viele weitere Island reisende Artgenossen. Weil wir schon im Winter (bei etwas weniger touristischem Andrang) den wunderbar rechteckigen Wasservorhang abgelichtet haben, versuchen wir ein paar andere Blickwinkel zu entdecken. Ein Blick von der über die Treppe zu erklimmende Aussichtsplattform ist fotografisch leider nicht die Offenbarung. Dafür werden wir, als wir den Blickwinkels des „Indianers“ einnehmen wollen, von oben fast genau so nass, als wenn wir uns in den Wasserfall selbst gestellt hätten.

Gerne würden wir diesen Ort und die benachbarten Sehenswürdigkeiten (Museum, Kvernufoss) auch anschauen, aber bei dem gerade herrschenden Sau-Wetter, sind wir froh, wenn wir im Auto sitzen können. Dennoch hält uns der Wasserfall im Bann und nur schweren Herzens verlassen wir diesen Ort voller Widersprüchlicher Eindrücke. Die Schönheit der Szenerie und die zertrampelte Umgebung passen irgendwie schlecht zueinander. Vielleicht ändert sich der Eindruck wenn man das Ganze mit etwas Abstand betrachtet?

Und siehe da, mit einem Teleobjektiv und der Sicht von der Zufahrt zum Hof links des Wasserfalls (und nicht weit von der Ringstraße entfernt) wirkt der Skógarfoss wie eine verträumte, von weidenden Schafen umgebene Idylle fernab jeder Zivilisation.

Es sind diese Fotos, die mich für den bisherigen Verlauf des Tages wieder mit den Umständen des Tages versöhnen und diese einmalige euphorische Isländische Stimmung wieder zurück kommen lassen. Und das obwohl das Licht noch immer fahl und grau durch den Wolkenhimmel scheint und die Regentropfen zwar kleiner und etwas weniger geworden sind, aber immer noch unablässig fallen.

Es ist der vorletzte komplette Tag der Reise und wir hatten ja am Schluss vor, die touristischen Schwerpunkte im Südwesten Islands einzusammeln. Insgeheim hoffte ich, auch auf eine Abnahme des Touristenzustroms, doch die schien sich hier nicht zu erfüllen. Ebenso war ich wegen des heutigen Wetters bereit, die andere Hoffnung auf sensationelles Licht am sich nun nähernden Seljalandsfoss aufzugeben.

 

Die Tageszeit und Jahreszeit stimmte (und war von mir auch so eingeplant). Bei weniger Wolken würde die späte Nachmittags- und Abendsonne diese Ikone der Isländischen Wasserfälle in das berühmte warme Licht tauchen und das Identifikationsbild Islands schlechthin ermöglichen. Würde, denn der Himmel ist immer noch grau.

Im Gegensatz zu unserem Winterbesuch benötigen wir dieses mal keine Grödel unter den Schuhen um auch dem Weg hinter dem Wasserfall folgen zu können. Und wir können unser Glück kaum fassen, als wir just in dem Moment, in dem wir direkt hinter dem Wasserfall stehen, sehen wie die zusammenhängende Wolkendecke plötzlich aufreißt.

Wegen dem Weitewinkel-Objektiv-Verlust bin ich auf das Fish-Eye angewiesen. Aber in der Enge hinter dem Wasserfalls öffnet es einen fast totalen Rundum-Blick.

 

Zunächst ist das Licht noch weiß aber der vormals graue Himmel bekommt eine dramatische Struktur und blaue Flecken.

Und weil uns bewusst wird, dass uns Island abermals nicht im Stich lassen will, warten wir den gesamten Zeitraum bis zum Sonnenuntergang ab und bekommen den Seljalandsfoss zunächst in goldgelb präsentiert.

Als irgendwann auch die nächtliche Beleuchtung des Wasserfalls eingeschaltet wurde, sendet die Sonne noch ein mal ihre letzten rötlichen Strahlen um unsere Verzückung auf ein Maximum zu heben.

Wieder einmal steigerte sich ein grau begonnener Tag zu einem beeindruckendem farbenfrohem Finale und wir waren aufs neue glücklich und mit der Welt zufrieden.

Um den morgigen letzten Reisetag auf Reykjanes entspannt angehen zu können, beschließen wir unsere vorletzte Übernachtung in Grindavík abzuhalten. Wegen der Entfernung treffen wir erst in vollständiger Dunkelheit auf dem örtlichen Campingplatz ein und bereiten uns im Aufenthaltsraum ein erstes „Reste-Abendessen“ zu.