pelzig grandios

Überraschungen und belohnte Entscheidungen

Der neue Tag beginnt, wie der vorherige zu Ende gegangen ist: den faszinierenden Ausbrüchen des Butterfasses (wie Strokkur aus Isländisch übersetzt heißt) zuzusehen. Wir wurden durch die gelb-roten Strahlen des Sonnenaufgangs wach. In der Erwartung einer grandiosen Lichtstimmung stürmten wir mit dem Fotokrams aus dem Camper zum Strokkur. Doch was die Vorfreude auf einen grandiosen sonnigen Tag weckte, war lediglich eine Wolkenlücke zum optimalen Zeitpunkt. Schon während wir die Kamera auf eine wirkungsvolle Aufnahme der Wassersäule im farbigen Morgenlicht ausrichteten, schoben sich Wolken ins geplante Bild.

Immerhin war das Licht nicht mehr so blass, wie gestern Abend und die Strokkur Explosionsblase wirkte noch einen Akzent bunter als im fahlen Licht gestern. Offensichtlich merkte die Springquelle, dass wir zu diesem Zeitpunkt die einzigen Touristen vor Ort waren und genehmigte sich ein paar Aussetzer. Die Eruptionen reichten dabei nicht einmal über unsere Köpfe. Da schoss mir der Gedanke durch den Kopf, ob es nicht doch einen von der Tourismusindustrie gesteuerten Mechanismus für effektvolle Ausbrüche gibt, der erst bei genügendem Andrang vom Besucherzentrum aus aktiviert wird.

Die Blesi glänzt immer noch tief blau und der Geysir dampft lediglich vor sich hin.

Da das goldene Morgenlichtintermezzo recht kurz war und der Himmel fast das selbe grau von gestern eingenommen hat, trödelten wir mit dem Frühstück und dem Aufbruch in den Tag. Die Stimmung passte sich leider schnell wieder dem Wetter an. Wir befanden uns am zweiten Stopp des „klassischen golden Circle“ und beschlossen den namens-gebenden goldenen Fall jetzt doch noch zu beehren.

Der Gullfoss ist vermutlich das Highlight einer massentouristischen Golden Circle Bustour. Entsprechend voll war es an diesem durchaus beeindruckenden Wasserfall. Doch wenn man nur wenige Tage vorher – bei ähnlichem Wetter – am Dettifoss stand, beginnt man unweigerlich vergleiche zu ziehen und auf einmal wirkt das Ganze nicht mehr so atemberaubend. Außerdem verderben viele herum wuselnde Touristen die Lust auf Langzeitbelichtungen (für den fließenden Wassereffekt), weil dann dauernd ein etwas anders gefärbter Schatten im Bild landet.

Viel interessanter waren die Blicke in Richtung Hochland. Am Gullfoss beginnt die Kjölur Hochlandstrecke, welche uns der Vermieter unserer „Ramme“ wärmstes empfohlen hatte. Dennoch beschlossen wir, sie bei dieser Islandrundfahrt aus zu lassen. Nun blickte ich mit etwas Wehmut vom Rand des Wasserfalls nach Norden, denn dort war der Himmel weniger bewölkt und die Landschaft viel spannender und nehme mir vor, eine Island-Reise mit Schwerpunkt Hochland auf meine TODO-Liste zu stellen.

Die ursprüngliche Planung sollte uns schon gestern nach Vik í Mýrdal bringen, damit wir während der drei letzten Reisetage die „Highlights im Süden“ auf dem Weg zum Flughafen, noch abhaken können. Diesen Vorsatz nehmen wir nun mit einem halben Tag Verspätung wieder auf und biegen auf die Anfangs nur geschotterte Straße 30 nach Süden ein. Als wir dann bald in einem Bogen ins Tal der Ölfusá herab fahren, erspähen wir von der Brücke im Augenwinkel eine faszinierende Landschaft. Gleich nach der Brücke befindet sich ein Parkplatz, der vollkommen leer ist. Platzten ein paar Kilometer flussaufwärts beim Gullfoss massenweise Touristenbusse, war hier zum Glück Gänsehaut und touristische Einsamkeit angesagt. Diesen Spot hatte ich gar nicht auf dem Radar und war stolz auf eine „Selbstentdeckung“. Natürlich ist die Brúarhlöð nicht unbekannt, liegt aber wohl noch nicht auf den ausgetretenen Touristenpfaden.

Der weitere Weg sollte uns nun nach Flúðir bringen, mit dem Hintergedanken die nicht mehr so Secret Lagoon zu besichtigen. Aber der isländische Herbst machte uns einen zunächst willkommenen Strich durch die Rechnung. Ein Schafherdentrieb versperrte die Straße und wir waren entzückt so einem Ereignis beiwohnen zu können.

Also stauten wir uns hinter die gemächlich die Straße entlang getriebenen Schafe ein. Während einer von uns die Ramme im Schneckentempo voran bewegte, sprangen die Anderen zwischen den Schafen und den berittenen Isländern herum und machten Fotos. Irgendwann wurden die sich stauenden Autos von einem der Schaftreiber informiert, dass es noch ca. eine Stunde dauern würde, bis man weiter fahren könnte. Ein alternativer Weg nach Flúðir wurde vorgeschlagen. Die Baaaaahhhh-geisterung ließ uns den Vorschlag jedoch ignorieren. Als wir zwei Stunden später immer noch vorwiegend auf Schafhinterteile blicken durften, begannen die Zweifel ob es innerhalb der nächsten Minuten zu Ende sein könnte, zumal ein Bauernhof, an dem die Schafe für eine Zeit von der Straße in eine Koppel hätten gelenkt werden können, ausgelassen wurde und kein weiterer Hof in der Ferne zu erspähen war. Also wendeten wir und nahmen den Alternativweg und verzichteten aufs Thermalbad.

Mangels einer Straße, die von Flúðir nach Südosten führt, landen wir nur wenige Kilometer östlich von Selfoss wieder auf der Ringstraße 1 und biegen erst dann nach Osten ein. Es ist immer noch grau bewölkt und es regnet ununterbrochen ganz leicht. Doch als wir uns den Bergen im Süden (Hekla und Eyjafjallajökull) nähern blicken wir auf bedrohlich dunkle und tief hängende Wolken, die von Regenbogen und hell angestrahlter Landschaft dahinter unterbrochen wurde.

Gefühlt ab Hella hat man den Seljalandsfoss im Blickfeld, wenn man die Ringstraße nach Osten fährt. Und jeder Islandfotograf weiß, dass dieser Wasserfall ganz besonders fotogen im späten Abendlicht ist. Wir fahren und sehen die Felskante im Sonnenlicht und freuen uns auf gute Bilder. Doch das Sichtfeld ist weiter als man glaubt und nur allmählich werden die Berge größer und das weiße Band des Wasserfalls sichtbar. In freudiger Erwartung biegen wir auf den Parkplatz ein und entdecken, dass seit dem Winter ein weiterer Parkplatz dazu gekommen ist. Wir können mit direktem Blick auf den Seljalandsfoss einparken und wollen mit allem Fotogedöns aus dem Auto stürmen, als innerhalb weniger Sekunden die Sonne verschwindet und der nächste heftige Regenguss auf uns niedergeht. Verzweifelt suchen wir am Himmel nach weiteren Wolken-Lücken und können nichts entdecken. Ein Blick in die Online-Wetterkarte zeigt weniger Regen bei Vik an. Ich treffe (dank Zündschlüsselgewalt, gegen den Wunsch meiner Freunde) die Entscheidung weiter zu fahren. Das Wetter wird schlimmer, der Regen prasselt heftig gegen die Windschutzscheibe. Meinen Entschluss verteidigend muss ich die Häme von den billigen Sitzplätzen in der Ramme über mich ergehen lassen, während wir Skogar und andere Attraktionen wegen Regen auslassen. Doch als wir an der Pétursey vorbei fahren werden meine Mitreisenden ganz kleinlaut und ich biege triumphierend auf die Straße 218 zur im Sonnenlicht liegenden Dyrhólaey ein. Die geschotterte, steile Auffahrt zum Leuchtturm ist für unsere Ramme ein Kinderspiel und wir stehen wieder um Worte der Verzückung ringend vor einem Anblick wie aus einer anderen Welt.

Die endlos wirkende fast schnurgerade Südwestsküste verschwindet in dunklen bedrohlichen Wolken, während die schon sehr tief stehende Sonne ihre warmen Strahlen auf die verlandete Insel wirft. Die Brandung lässt vom Licht erleuchteten Wassernebel aufsteigen. Der Atlantik glitzert hell vor einer im Dunkeln verschwindenden Insel. Wir stehen wieder staunend mit Gänsehaut in der Natur und alles was als Beschreibung einfällt ist „grandios“.

Wir erleben das berühmte Felsentor in den goldgelben Farben der sich dem Horizont nähernden Sonne.

Der Leuchtturm wird noch von außen von der Sonne beleuchtet und die Reynisdrangar wirken markant in der Ferne.

Fern im Westen spielt sich ein farbenfroher Sonnenuntergang ab. Die Vestmannaeyar werden vom letzten Sonnenlicht des heutigen Tages gestreift. Der schmale rote Horizont reflektiert sich bronzefarben im Meer. Die dunklen Wolken hängen leider so tief, dass sie nicht mehr von unten durch die Sonne erleuchtet werden.

Wir wollten die Hoffnung nicht aufgeben, aber nachdem wir den genauen astronomischen Zeitpunkt des Sonnenuntergangs per Internet ermittelt hatten, waren wir sicher, dass leider keine Farbexplosion, wie vor zwei Wochen am Jökulsárlón statt finden wird. Statt dessen setzte die blaue Stunde ein und bot die Gelegenheit auch das innere Leuchten des Turmes zu erleben.