Abkühlen

Emotionen wieder auf Regelniveau

Das Crescendo der Reiseeindrücke bisher war gewaltig. Jeder neue Tag übertraf den Vorherigen maßlos. Wie sollte das nur weiter gehen?

Nach dem gestrigen Baden bis in die Dunkelheit, dem Abendessen zubereiten und dem feiern des grandiosen Tages, lagen wir sehr spät im Bett. Entsprechend spät stiegen wir heute aus diesem. Der Himmel war trüb und grau und somit der Tatendrang auch nicht geweckt. Wir überprüften den vorhergesagten Wetterverlauf, aber es half nichts. Der Bericht sagte zunehmenden Regen von Süden aus an, dem Ziel der Tagesetappe. Also erst mal wieder etwas gemütlicher Frühstücken und den Tag bedächtig angehen. Und in Gedanken vom so beeindruckenden Landmannalaugar abschied nehmen.

Heute lasse ich Andy (unseren Mitreisenden) ans Steuer, damit er auch Erfahrung mit Furten sammeln kann. Noch etwas unwillig dem schlechten Wetter entgegen zu fahren, biegen wir vom Landmannalaugavegur zunächst Richtung Norden auf die F208 ab und erreichen die Stelle wo die F225 einmündet. Dort geht noch ein vierter Weg ab, mit einem Schild Ljótipollur und ohne Straßennummer markiert. Der Name stand nicht in den Zielen der Reiseplanung, aber die Neugier war geweckt. Über die bislang holperigste Strecke – zum Teil sehr steil einen Hang hinauf – kamen wir an einem mit Steinen markierten Parkplatz an und staunten schon wieder. Uns bot sich einen wunderbarer Blick auf die Tungnaá und auf einen Kratersee.

Nein, das linke Bild oben ist nicht der Kartersee. Erst mit einem Blick auf die Karte, erkennen wir das Ziel Ljótipollur und das es sich dabei um den Kratersee handelt. Auf ein einziges Bild passte er nicht drauf, als erst mal schnell ein Panorama angefertigt.

Wir sind etwas frustriert. Die gestrige „jedes Bild ein Treffer“ Situation stellt sich heute irgendwie nicht ein. Während die Zeit mal wieder schneller vergeht, als angenommen, scheint die Mittagssonne doch etwas Oberhand über die Wolken zu gewinnen und plötzlich leuchtet der See türkis-blau und die schwarz-rotbraune Steilflanke am gegenüberliegenden Ufer wirkt auch viel bunter.

Mit dem Teleobjektiv versuchen wir Fotos der Tungnaá einzufangen, doch die Wolken verhindern, dass die Wasserläufe einen blauen Himmel reflektieren.

Erst beim schreiben dieses Textes, gelingt es mir die Namen der beiden Berge „Ónýtafell“ und „Skálafell“ aus der online Island Karte zu entnehmen und dabei stelle ich erstaunt fest, dass es bis zum hinteren Skálafell ca. 13 km Luftlinie sind.

Da sich die Sonne inzwischen immer mal wieder zwischen den Wolken zeigt, scheint das Wetter doch nicht so schlimm zu werden wie vorhergesagt. Also überwinden wir unsere Zurückhaltung und nehmen die Tagesetappe wie geplant in Angriff. Es geht wieder an Landmannalaugar vorbei. Eine Brücke führt über den Jökulgilskvísl, kurz vor seiner Mündung in die Tungnaá. Wir fahren an einer Sumpflandschaft mit Wollgras und Schafen vorbei.

Die Landschaft wird wieder „isländisch“. Schwarzgraue Berge, deren Gipfel heute in den Wolken stecken, mit grünen Flussauen. Durch mehrere Furten (etwas tiefer als vorgestern; ca. 30 cm) geht es problemlos durch das Tal des Kirkjufellsós. An einer malerischen Stelle verlässt die Straße in einem eleganten Bogen das Tal und ein wunderbarer Blick verdient es fest gehalten zu werden.

Und so führt die F208 abwechslungsreich mal über Hügel, dann wieder entlang von Flusstälern zunächst vorwiegend in östliche Richtung. An der Stelle wo sie ins Tal der Jökuldalakvísl eintaucht, ist heute nochmal Sonnenschein angesagt. Wir nutzen das wunderbare Licht, um ein paar Fotos von der Furt und leuchtend grünen Wiesen zu machen.

Doch lange dauert die Freude über die sonnigen Abschnitte nicht mehr an. Der Himmel wird zunehmend grau und die Wolken hängen tiefer oder die Piste steigt höher. Und es fängt zusätzlich zu regnen an. Es ist erstaunlich wie schnell und sehr das auf die Motivation schlägt. Als wir über einen kleinen Abstecher am Parkplatz, von wo aus man die Eldgjá entlang wandern kann, ankommen, reicht es gerade mal für ein düsteres Foto. Die Rangerin ermutigt uns noch die Wanderung trotzdem zu machen, aber wir verzichten.

Einen Schreckensmoment gibt es als wir mitten in der Furt durch die Strangakvísl stehen bleiben. Auf das Gas-Pedal treten bewirkte nichts, außer ein Aufheulen des Motors. Verdutzt schauen wir uns panisch an und stellen erleichtert fest, dass wir zwar vor der Furt im Stand den Hebel für die Untersetzung umgelegt haben, aber die Automatik auf N eingestellt blieb. Da wir langsam in den Fluss rollten, fühlte es sich an als hätte man vorsichtig Gas gegeben, aber zum Herausfahren wäre ein eingelegter Gang wirklich hilfreich. Das Problem ließ sich dann unter allgemeiner Erheiterung leicht beheben.

Doch das Wetter wollte einfach nicht mehr. So war lediglich die Stelle als sich die F208 nun endgültig nach Süden wendete und entlang der Skaftá führt, trotz trüber Stimmung fotografisch noch interessant. Im Bild handelt es sich aber noch um das Wasser der Norðari-Ófæra, nicht weit von der Vereinigung mit der Skaftá.

Die restliche Strecke der F208/208 geht nur noch vorüber. Die ursprüngliche Etappenplanung ließ offen ob es auf der Ringstraße 1 dann nach Kirkjubæjarklaustur
oder nach Vík í Mýrdal gehen soll. Weil wir im Winter schon in dem Ort waren, entscheide ich mich für Vík. Auf dem Weg dahin halten wir noch kurz am Laufskálavarða für ein „wir waren da“ Foto an.

Nach dem Einchecken auf dem Campingplatz beschließe ich unsere Reisegruppe ins – ebenfalls in der Winterreise kennen gelernte – Halldórskaffi zum Abendessen einzuladen. Ist zwar nicht billig, ergibt aber etwas Abwechslung von Camper-Standardessen (Nudeln mit irgendwas). Das bestellte Lamm-Gericht ist eine Gaumenfreude und beinhaltet auch die leckere Tagessuppe, die man sich selbst aus einem großen Suppentopf einschenken darf.

Das Tagesfazit ist durchwachsen. Der Tag fing trotz trüben Wolken noch recht positiv an und ließ wieder etwas Island-Euphorie aufkommen. Aber sobald der Regen permanent wurde, verpasste es der Stimmung schnell einen Dämpfer. So war heute der Tag, an dem sich die Island-Hochstimmung der letzten drei Tage wieder etwas abkühlte, ohne der allgemeinen Begeisterung über das erlebte Island zu schaden.