Aufklarend

Von trüb nach bunt

Wir wachen in Vík í Mýrdal auf. Der Wetterbericht von gestern versprach Aufklarung und einen Sonne-Wolken Mix. Doch ein Blick auf die Klippen direkt am Campingplatz zeigt wabernden Nebel je weiter man nach oben schaut. Mit wenig Antrieb praktizieren wir unsere Variante von „Camper-Schnellfrühstücken“ (jeder stopft sich so schnell es geht irgendwas aus dem Lebensmittelvorrat/Kühlschrank in den Mund) und machen uns und den Camper fahrbereit.

Im Abfahrtsmoment entscheiden wir, meinen Reiseplan doch weiter zu verfolgen. Ich wäre bereit gewesen den Plan total aufzugeben. Schon gestern war weiter westlich das Wetter besser und die Vorhersage für heute versprach Richtung Südosten nur ein durchwachsenes Wetter, während nach Westen Sonnenschein angesagt war. Nun gut, es geht zunächst sowieso nur an den Strand von Vík, mit seinem schwarzen Sand. Die steilen, mit Nebel verhangenen Flanken des Reynisfjall lenken den Blick auf die, wie Skulpturen wirkenden, „Reynisdrangar“ Felsen im Meer.

Während wir versuchen, dieses weltberühmte Motiv einigermaßen zufriedenstellend und nicht von Touristen verstellt, auf die Speicherkarten zu bannen, lichtet sich der Nebel. Der blaue Himmel und die Silhouetten der Felsen, spiegeln sich im abfließenden Wasser der Wellen und die Zuversicht in den Wetterbericht steigt wieder.

Nachdem wir im Supermarkt von Vík unsere Vorräte wieder etwas aufgefüllt haben, geht es nun zu einem weiteren meiner „must see“ Ziele. Es ist in unserem Reiseführer noch als etwas Abseits der Touristenströme geführt und trägt den zungenbrecherischen Namen „Fjaðrárgljúfur“. Weil uns der Weg (auf der Ringstraße 1) weiter nach Osten führte, ist der Himmel schon wieder – oder etwa noch – mit Wolken verhangen. Die vielen Autos am Parkplatz davor zeugen aber davon, dass es mit dem „Geheimtipp“ wohl vorüber ist.

Diese Schlucht ist einer dieser magischen Orte, die mein Interesse an Island geweckt haben. Ich wollte auch einmal mit etwas Nervenkitzel am Rand der steilen Klippen stehen und den klaren grün gesäumten Bach von oben bewundern. Leider hat der Tourismus-Boom auf Island auch hier zugeschlagen. Die sichtbaren Pfade zum Rand der Klippen waren alle mit Hinweisschildern zum Schutz der Vegetation und frisch angebrachten Seilen abgesperrt. Es ist eine Folge des Tourismus, der ich mich als Mitverursacher fügen muss. Und angesichts der sich z.T. sehr unvernünftig verhaltenden Besuchern, kann ich mir vorstellen, dass Gedränge auf den sehr schmalen abgesperrten Pfaden zu Unfällen geführt hätte. Trotzdem frage ich mich, ob die neuerlich so schützenswerte Vegetation, die letzten zwanzig Jahre und davor unwichtig war?

Aber auch diesbezüglich war der anwesende Ranger, sehr um Ausgleich und Verständnis bemüht. Statt die drei Menschen nur zurechtzuweisen und zu vertreiben, fragte er sie was ihre Motivation zur Überschreitung der Absperrung war. Er bezog auch alle Umher stehenden Besucher bei der Frage ein, was die Naturparkverwaltung tun könnte, um es den Wünschen der Besucher und dem notwendigen Naturschutz (und ich dachte mir Sicherheit dazu) gleichermaßen recht zu machen. Vermutlich wird es in der Zukunft an der Stelle eine künstliche Aussichtsplattform geben, wie ich der Unterhaltung entnehmen konnte. Das wird die „Unberührtheit“ der Landschaft definitiv negieren, aber den von mir erhofften Blick wohl doch ermöglichen.

Bis wir den ca. zwei Kilometer langen Weg entlang der Schlucht und trotz der Absperrungen vielen Fotostopps, bergauf und wieder zurück gewandert sind, klarte auch hier der Himmel auf. Der Wetterbericht hatte heute schon zum zweiten mal recht. Doch wenn man weiter nach Osten blickte, war dort der Himmel immer noch grau. Dafür leuchtete die sonnen-gebadete Wiese vor dem dunkeln Himmel besonders malerisch.

Eigentlich war nach der Fjaðrárgljúfur, die Weiterfahrt auf der F206 zum Laki geplant. Da wir mit dem Strand von Vík schon einen vom Plan abweichenden Besichtigungspunkt hatten, fahren wir zunächst auf der genannten F-Straße nur bis zum Fagrifoss. Es war die ungemütlichste Hochlandstraße bisher, weil viele Steine den Fahrweg uneben machten. Zumindest waren die Furten allesamt problemlos und mit denen der F208 nach Süden vergleichbar. Die größte Furt befindet sich ein paar hundert Meter oberhalb des Wasserfalls und man würde, wenn man sich dort in der Landschaft umsieht, kaum erwarten, dass die Geirlandsá plötzlich in einen Abgrund fällt. Als wir bei dem Parkplatz in der Nähe des Fagrifoss aus unserer „Ramme“ steigen, werden wir von dem kräftig wehenden Wind überrascht.

Mit Stativ und Graufilter werden diverse Langzeitbelichtungen – für den „fließenden Eindruck“ des fallenden Wassers – angefertigt. Das gestaltet sich durch den an allem rüttelnden Wind erstaunlich schwierig. Und in einem unbeobachtetem Moment lässt es einen Schlag und mein Stativ samt Kamera wurde vom Wind um geweht. Zum Glück befanden wir uns auf dem Aussichtspunkt mit Geländer, gegen dessen Handlauf das Objektiv schlägt und die Kamera samt Stativ vor dem Absturz in die Schlucht gehindert wird. Nach genauer Betrachtung hat es den Anschein, dass Kamera und montiertes Objektiv diesen Unfall unbeschadet überstanden haben. Es wäre der absolute Urlaubs-GAU gewesen, wenn die Ausrüstung „verschwunden“ wäre, entsprechend laut fällt ein Stein vom Herzen.

Wegen des kräftigen Windes und des schon recht späten Nachmittags entscheiden wir, dass eine Weiterfahrt zum Laki nun überhaupt nicht mehr in Frage kommt. So treffen wir doch tatsächlich einmal bevor die Sonne untergegangen ist, am Campingplatz in Kirkjubæjarklaustur ein. Wir nutzen die Chance den mitgemieteten Grill in Betrieb zu nehmen. Das gegrillte Lamm (aus dem Supermarkt), entpuppt sich als ungemein schmackhaft und stellt das üblicherweise in Deutschland erhältliche meilenweit in den Schatten.

Während wir das Abendessen an einer auf vielen Campingplätzen vorzufindenden hölzernen Tisch-Sitzbank Kombination im Freien genießen, bemerken wir, dass auch die letzten Wölkchen im Sonnenuntergang verschwinden und der Himmel nun vollständig aufgeklart ist. Bei bester Laune, auch über die Entscheidung den Reiseplan weiter zu verfolgen, merke ich beiläufig an, dass zum vollständigen Glück des heutigen Tages nach Einbruch der Dunkelheit noch Nordlichter fehlen würden. Obwohl es der letzte Tag im August ist, wird es nach Sonnenuntergang schnell zu kühl, um im Freien zu sitzen. Wir verziehen uns zum gemeinsamen Fotos des Tages begutachten in den Camper. Doch das ins Bett gehen wird durch ein hell leuchtendes grünes Band direkt über unseren Köpfen um weitere Stunden und viele beeindruckende Fotos hinausgezögert.