Camper, Schwefel und Wasserfall

Einkaufen, Gestank und ein Wasserfall

Die eigene Zimmerdusche am ersten Morgen in Island genossen wir fast zu ausführlich, wohl wissend, dass die nächsten 21 Tage die Duschen nicht mehr Hotelniveau erreichen würden. Das Frühstücksbuffet war reichhaltig, bot aber keine kulinarischen Überraschungen. Wir vergaßen trotzdem etwas die Zeit, denn bereits pünktlich um 9 Uhr wurden wir – wie vereinbart – vom Vermieter des Campers abgeholt. Etwas hektisch verließen wir mit unserem Gepäck das Zimmer und wurden zur Vermietstation gefahren. Die notwendigen Formalien wurden in lockerer Atmosphäre mit dem Inhaber der Firma erledigt. Wir erhielten ein paar Auflagen welche Strecken wir nicht entlang fahren sollen, bei welchen Windverhältnissen wir nicht mehr fahren dürfen, eine gründliche Einweisung in die Bedienung der Wohneinheit und wie wir mit dem 4×4 Getriebe des Dodge-RAM umgehen sollen. Wir haben zwei der drei Reisekoffer entleert, die Sachen im Camper verstaut und die Koffer beim Vermieter lagern lassen. Dies war eine große Erleichterung, denn es sparte eine Menge Platz im Innenraum. Nach zusätzlichem Verstauen der extra heraus gehandelten Campingausrüstung (3 Stühle und ein Tisch) ging unsere Reise endlich los.

Ich drehte den Zündschlüssel um und das satte dumpfe Röhren des Motors gab uns ein Gefühl von Überlegenheit, welches das Lampenfieber, wie wir mit dem Ungetüm die nächsten drei Wochen auskommen werden, erträglich werden ließ. Noch vorsichtig, schaukelnd bewegten wir uns vom Hof auf die Straße, nahmen langsam Fahrt auf, meisterten die erste Kreuzung, wollten die Kraft des Motors spüren und drückten auf das Bremspedal um sofort rechts anzuhalten: wir wussten nicht wo es weiter gehen soll.

Also erst mal Google-Maps auf dem Smartphone starten und das erste Ziel aus der Etappenbeschreibung eingeben, Route finden lassen und wieder losfahren. Grandiose Natur in Island – wir kommen! Äh, noch nicht! Wir fuhren direkt auf den Bonus-Supermarkt zu und uns fiel ein, dass da noch was zu erledigen ist. Auf dem Parkplatz standen noch weitere Wohnmobile und im Laden waren wohl mehr Touristen als Einheimische, denn überall wurden die Produktbeschreibungen genau studiert. Nachdem wir eine Grundausstattung an Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Getränken mit dem Einkaufswagen durch die Kasse geschoben hatten und umgerechnet über 350 EUR ärmer waren, wurde uns auch wieder bewusst, dass wir in Deutschland von günstigen Preisen verwöhnt sind.

Da uns viele Produkte und Marken unbekannt waren, verging auch relativ viel Zeit beim Einkauf und so war es schon nach 14 Uhr als wir das vorher ausgesuchte Ziel wieder in Angriff nehmen. Es geht auf der 41 Richtung Hafnarfjörður, wo wir gleich am Ortseingang auf die 42 nach Süden einbiegen. Bei einem ersten Halt im umgebenden Lavafeld entdecken wir Menschen, die zwischen den Büschen umher laufen und eimerweise Heidelbeeren einsammeln. Nachdem wir auch ein paar der Beeren genascht haben, erreichen wir kurze Zeit später den Kleifarvatn. Trotz sonnigem Wetter reißt uns der See fotografisch nicht von den Socken, obwohl wir hier einen ersten Eindruck von später während der Reise zu erwartenden Landschaften geboten bekommen.

Der nächste Stopp ist nur wenige Kilometer weiter südlich: das Krýsuvík – Seltún Solfataren Gebiet. Die Sonne lässt das bunte Gestein kräftig leuchten, die zischenden und nach Schwefelwasserstoff riechenden Dämpfe brennen sich ins Gedächtnis ein. Bis jeder von uns sein Fotomotiv gefunden hat, bin ich zweimal den unteren Rundweg entlang gelaufen.

Ein Brautpaar ließ sich mit großer Entourage ablichten, und ich musste sofort daran denken, im Islandforum gelesen zu haben, dass ein Paar aus Deutschland – auch extra der besonderen Natur wegen – ihre Hochzeit mit anschließenden Flitterwochen nach Island verlegen will.

Um einen herum brodelt heißes Wasser aus dem Boden, Schlammlöcher blubbern und der Dampf roch unterschiedlich stark nach Schwefelwasserstoff. Wenn dann die Sonne direkt auf die „verbrannte“ Erde scheint leuchtet es von weiß, grau über beige, gelb und ocker bis zu dunklem rotbraun. Vereinzelte Grasbüsche oder Moos ergänzen die Szenerie mit grünen Farbtupfern und man ist wegen all diesen Sinneseindrücken manchmal überfordert sich auf ein wesentliches Fotomotiv zu konzentrieren. Entsprechend umfangreich fiel die Menge der Bilder auf der Speicherkarte aus und erschwerte die Auswahl auf wenige zu zeigende Bilder.

Weil einem alles wörtlich zu Füßen liegt sollte man nicht vergessen auch den Blick etwas in die Ferne schweifen zu lassen, denn man kann von hier schon den Atlantischen Ozean sehen und die grünen Wiesen, wobei die herbstlichen Farbtöne sich kaum merkbar bereits abzeichnen.

Wir fahren entlang der Reykjanes Südküste auf der 427 weiter nach Osten, durchqueren auf der 34 Eyarbakki, dann auf der 33 Stokksery, biegen auf die Schotterstraße 308 ein. Zum ersten mal denken wir, cool das unser Auto so eine Straße locker weg stecken müsste. Das bewahrheitet sich noch etwas mehr als wir bei Villingaholt auf dem Urriðafossvegur den gleichnamigen Wasserfall von Süden aus ansteuern, denn wir stellen fest, dass die Unebenheiten bei schnellerer Fahrt im Auto weniger schlimm sind und kommen am Ziel-Parkplatz an.

Während wir den Urriðafoss – den ersten Wasserfall der Reise – noch fotografisch erfassen, geht die Sonne mit einem violet glühenden Himmel unter. Vom Urriðafoss bis zur Ringstraße 1 sind es nur noch wenige hundert Meter. Wir fahren weiter nach Hella und finden in Rangárbakki unseren ersten Übernachtungscampingplatz. Nach Abendessen zubereiten und Wetteraussichten für Morgen checken, fallen wir in unsere Camperbetten. Als ich den Tag vor dem Einschlafen in Gedanken Revue passieren lasse, stelle ich fest, dass es zumindest heute weitestgehend wie geplant verlaufen ist.