Vom gestrigen Tag waren wir völlig „geflashed“. Entsprechend selig und tief schliefen wir nach dem schnell zusammen gezimmerten Abendessen. Trotzdem wurde ich recht früh wach. Ich öffnete die Wohnwagentür und wurde in weiß-grün geblendet. Die Sonne geht gerade über dem Norðurbarmur auf und verwandelt die Wollgras-Samen auf der Wiese hinter dem Campingplatz in tausende weiß-glühende Mini-Leuchten.
Der Blick in den klaren tiefblauen Himmel vertreibt auf einen Schlag jegliche Restmüdigkeit. Es ist als hätten alle anwesenden Elfen und Trolle dem für heute geplanten Wandertag in Landmannalaugar ihren Segen gegeben. Der Bláhnúkur macht seinem Namen alle Ehre und die Brennisteinsalda will ihm in nichts nachstehen. Ebenso Dampft es am Fuße des Reykjakollur.
Also nimmt jeder von uns sehr schnell etwas als Frühstück zu sich, es werden ein paar Brote belegt und genügend Getränke zu der sowieso schon gewichtigen Fotoausrüstung in die Rucksäcke gepackt. Wir starten zum Gipfelsturm auf den Bláhnúkur.
Zunächst geht es am Fuß des Lavafeldes entlang bis man am Ausgang der Grænagil über eine kleine Holzbrücke den Fluss überquert. Wenig später beginnt der Aufstieg auf den Bláhnúkur entlang des Grates. Das erste was auffällt sind die Verästelungen der Wasserläufe in der Weite des Tals. Am besten werden die Strukturen in einer kontrastreichen schwarz-weiß Interpretation des Motivs deutlich.
Mit jedem Höhenmeter mehr weitet sich der Blick in die umgebende Landschaft. Auf der rechten Seite fällt der Blick in die Grænagil, auf die Brennisteinsalda und die bunte Farbenpracht der Geologie, Vegetation und Natur. Nach links blickt man ins Tal des Jökulgilskvísl, auf den Bramur und darüber hinaus. Mittlerweile überreizen die Schönwetterwolkenschatten die bis an den obereren Anschlag ausgesteuerte optische Sinneswahrnehmung.
Hinzu kommt die Anstrengung durch den Aufstieg und der Wunsch alles in Bildern festzuhalten. So gelingt es mir auch ein Bild von Andy und Michi aus einer Position weiter oben zu schießen.
Alle Farbschattierungen von Weiß (Wolken) bis Schwarz (Lavagestein und Schatten) über gelbliche, rötliche und grüne Töne bilden mit dem blauen Himmel ein unverwechselbares Gesamtkunstwerk. Jedes Foto ist ein Volltreffer.
Wir kommen am Gipfel des Staunen und des Berges an. Es gelingt mir nicht die Einmaligkeit der Landschaft in Worte zu fassen. Seht selbst:
Die Menge des Lavausflusses aus dem letzten Ausbruch, scheint sich der vorgegebenen Topologie angepasst zu haben. Der gestern eher graue Frostastaðavatn zeigt sich tiefblau.
In der klaren Luft ist die Sicht beeindruckend weit. Die verzweigten Wasserläufe der Tungnaá reflektieren den Himmel. Ganz weit im Hintergrund sind je nach Blickrichtung der Vatnajölull und der Hofsjökull zu erahnen. Wir verbringen mehrere Stunden auf dem Gipfel, weil wir uns an der Landschaft nicht satt sehen können.
Seit wir in Island sind hat jeder neue Tag den vorherigen übertroffen. Wir haben einen grandiosen Urlaubsauftakt, wie wir ihn uns in den sehnlichsten Träumen nicht so vollkommen ausgemalt hätten. Aber es dämmert uns auch, dass nicht alle kommende Tage den vorherigen „toppen“ können. „Genieße den Augenblick!“ fällt uns sofort wieder ein, was bei diesen Ausblicken unheimlich leicht fällt. Es wird einer dieser perfekten Tage im Leben, den man nie vergessen wird.
Eigentlich wollten wir ja noch auf die Brennisteinsalda. Doch wir verzichten und wählen den Rückweg durch das Lagahraun, statt durch die Grænagil. Der führt uns noch an den Fumarolen am Fuße der Brennisteinsalda vorbei.
Wir erreichen den Campingplatz erschöpft aber tief beeindruckt. Vom Süden her ziehen inzwischen sehr bedrohlich dunkle Wolken in das Tal. Dennoch packen wir die Badesachen aus, und begeben uns in den berühmten warmen Fluss von Landmannalaugar. Wir sind von klarem wohlig warmen Wasser umgeben, sitzen mit wildfremden Touristen gemeinsam an der „line of humanity“ – der Grenze wo das Wasser zu heiß wird – und plaudern entspannt. Es fallen ein paar Regentropfen, aber keiner hat wirklich Lust sich in die kalte Luft zu begeben. So liegen wir mehr als vier Stunden – es ist dunkle Nacht geworden – immer noch im Wasser. Doch irgendwann meldet sich der Hunger. Also schnell aus dem Wasser, sich flink trocken reiben und die wärmenden Merinoshirts, Hose, Jacke und Schuhe überziehen und zum Camper zurück laufen.
Das Abendessen wird etwas umfangreicher als gestern. Wir checken noch den Himmel, der sich leider zugezogen hat, vergeblich nach Nordlichtern und begeben uns ins Bett. Ein für uns denkwürdiger Tag neigt sich leider dem Ende entgegen.