Grau und trüb

völlig überflüssig

Es deutete sich schon gestern Abend an, doch als wir morgens die Köpfe aus dem Camper stecken, werden wir von Nieselregen und tief hängenden grauen Wolken empfangen. Der gut/schlecht Wetterrhythmus bleibt erhalten. Gemäß Reiseplan wäre das Ziel heute Blönduós, nach Whalewatching in Dalvík und einer anschließenden Erkundung der Tröllaskagi Halbinsel gewesen. Aber das erste haben wir schon als Wetter-optimierende Abweichung vom Reiseplan vorgestern in Husavík gehabt. Also versuchen wir das zweite in Angriff zu nehmen. Dazu verlassen wir die Herz-Ampel-Stadt Akureyri nach Norden.

Mit wenig Sicht, zunehmendem Regen und bedrückter Stimmung lassen wir Dalvík, Ólafsfjöður und Siglufjörður an uns vorbei ziehen. Bei Hofsós lichten die Wolken sich leicht und es regnet gerade nicht. Wir überlegen in das Bad von Hofsós, mit seinem Meerblick, zu gehen. Es soll die Alternative zum geplanten, aber aktuell in der Umsetzung frustrierenden, Besichtigungsprogramm werden. Doch es ist Samstag und das Bad hat gerade noch 1,5 Stunden geöffnet. Danach wäre der Tag trotzdem erst halb vorbei und wir stünden wieder im Regen. Also wird das Internet (insbesondere die isländische Wetterseite konsultiert) und beschlossen, dass wir uns so nah wie möglich an die Halbinsel Snæfellsnes nähern sollten, denn dort soll morgen das Wetter wieder gut sein. Aus dem MM-Reiseführer entnehme ich, dass nicht weit entfernt eine altertümliche Kirche zu besichtigen ist.

 

Mit einer kleinen Kette ist der Schlüssel an der Tür befestigt und man kann die Kirche betreten. Wenn man den Kopf einzieht, knallt er auch nicht gegen die Holzbalken, die den Weg zum Altar kreuzen. Dort finden wir ein Gästebuch vor, aus dem wir entnehmen, dass täglich ca. 10 – 20 Einträge von Menschen aus aller Herren Länder vorgenommen wurden. Wir verewigen unsere Namen auch und nutzen den Besen direkt an der Tür, um den Schmutz, den wir unweigerlich mit unseren Wanderschuhen hineingetragen hatten, wieder aus der Kirche zu entfernen.

Nach einer fotografischen Umrundung des Kirchenanwesens nehmen wir unsere Weiterfahrt wieder auf. Wir biegen von der Straße 76 auf de 75 Richtung Sauðárkrókur ab und bleiben wegen einer Kleinigkeit kurz nach der Brücke über die Austrari-Héraðsvötn stehen und entdecken ein wenig „Landschaft“. Die Grasbüschel-Dünen mit dem dunkelgrauen Sand und den Lagunen-Ausläufern ergeben ein hübsches Fotomotiv.

Es schien, als wären von gestern auf heute keine Touristen mehr in Island unterwegs. Und weil wir uns nirgends fotografisch „festsetzten“, haben wir plötzlich noch genug Tag zur Verfügung. Also beschlossen wir, trotz der widrigen Witterung dem Hvítserkur ein Chance zu geben. Während der Reisevorbereitung war ich skeptisch ob es uns gelingen wird, an diese Sehenswürdigkeit vorzudringen. Und wenn ja, bezweifelte ich ob dann die vorherrschenden Verhältnisse von Licht und Tide für ein gutes Foto gegeben wären. Aber heute ist es uns egal, Hauptsache die verfügbare Zeit für irgend etwas nutzen, denn das Wetter bietet sowieso nur eine miese Sicht.

Also geht es über die 744 nach Blönduós, dann der Ringstraße nach Westen folgend bis wir bei der Abzweigung der 716 nach Norden einbiegen. Wir stoßen auf die 711 zum Hvítserkur und quälen uns über die arg ausgefahrene Schotterstraße. Der Regen nimmt wieder zu. Am Parkplatz treffen wir wieder – oh Wunder – auf andere Touristen.

Eigentlich will keiner von uns aus dem Auto steigen. Aber wir sind nun schon mal hier. Also je eine Plastiktüte um die Kamera wickeln, regendichte Extrabekleidungsschicht anziehen und los geht es zum Aussichtspunkt über der Klippe. Der Wind weht den Regen direkt in die Linse der Kamera, wenn man den markanten Vogelfelsen im aufgewühlten Meer ins Bild nehmen möchte. Entsprechend frustrierend fällt die fotografische Ausbeute aus.

Der heutige Island-Tag will uns wohl keine euphorische Stimmung gönnen. Das ist bestimmt die Strafe dafür, gestern nicht auf die Pferde gewartet zu haben.

Als wir wieder auf der Ringstraße 1 ankommen und weiter nach Westen fahren, verpassen wir den kürzeren Weg über die 68 und 59 nach Buðardalur. So erreichen wir unser Tagesziel über die viel längere Strecke, wenn man die 1 nach Südwesten nimmt und dann in die Straße 60 wieder nach Norden einbiegt.

In Buðardalur hat der Supermarkt gerade noch offen. Der Skyr-Vorrat wird aufgestockt und wir verkriechen uns in ein windgeschütztes Eck des Campingplatzes. Außer uns stehen nur noch ein weiterer Camper und zwei Zelte auf dem Platz. An den „Non-Hotspots“ scheint die Touristensaison definitiv zu Ende zu gehen. Wahrscheinlich haben wir uns nach der längst eingespielten Zubereitung eines Dosenthunfisch-Tomatensalat-Abendessens still und leise in die Betten verzogen. Es kann aber auch sein, dass wir auch Köttbular aus der Dose mit Reis zubereitet haben. Irgendwie wurde viel verdrängt. Der heutige Tag war überhaupt nicht „isländisch“. Oder etwa doch?