Verweht

Gegen den Wind

Als wir aufwachen, ist unser Nachbarzelt schon verschwunden. Der Blick auf das Wetter offenbart einen grauen Himmel. Aber er sieht trotzdem irgendwie freundlicher aus, als bei den letzten, zu fast nichts zu gebrauchenden, trüben Tagen. Wir schöpfen etwas Hoffnung heute aus dem abwechselnd schlechten, guten Wettertag Rhythmus auszubrechen. Der Campingplatz von Grundarfjörður wird im nahe gelegenen Schwimmbad bezahlt und anschließend noch etwas Proviant nachgefüllt. Da sich unsere Reisetage langsam dem Ende nähern, achten wir jetzt darauf, dass wir möglichst alles was wir noch haben, bis zum Schluss auch verbrauchen können.

Weil wir gestern gefühlt zur Halbzeit die Snæfellsnes Tour abgebrochen hatten, ging es nun Richtung Ólafsvík. Dort wollten wir die „moderne“ Kirche besuchen, standen aber vor verschlossener Tür und dem Hinweis, dass es z.Z. nicht möglich wäre, die Kirche von innen zu bewundern. Schade!

Wir folgen nun der Küstenstraße 574 und halten beim Saxhól Krater an. Als wir die Autotür öffnen wollen, müssen wir sie schon mit Muskelkraft gegen den Wind aufdrücken. Aber besser so, als wenn sie uns vom Wind überraschend aufgerissen worden wäre.

Immerhin gelingt der Aufstieg zum Kraterrand, in dessen Windschatten, über eine Metalltreppe, die in einem geschwungenen Bogen um den Krater nach oben führt. Sobald wir oben angekommen waren, merkten wir wie konstant der Wind wehte. Man konnte sich wörtlich in den Wind lehnen ohne um zufallen. Der Wind schien auch die grauen Wolken zu vertreiben. Mit dem als „Superweitwinkelersatz“ verwendeten Fish-Eye Objektiv schieße ich das Foto, welches den Himmel in fast greifbare Nähe rückt (und den Horizont so verkrümmt, dass man denkt die Erde wäre ein Kugel — oh wait!?).

Kaum ist ein Sonnenstrahl erkennbar, stellt sich die Entdeckerlaune wieder ein und beim nächsten touristischen Hinweisschild biegen wir zum Djúpalónssandur ein. Der kleine Rundgang an den Kraftmesssteinen und dem äußerst kärglichen Überresten des dort irgendwann gestrandeten Wracks scheint zunächst keine Fotomotive bereit zu halten. Doch dann entdecken wir den Blick auf die Lava-Formationen, die vom Meerwasser umspült werden und ihre „Verlängerungen“ in den Küstenstreifen hinein.

 

 

Wir fahren weiter und erblicken auf dem Meer Windhosen. Wasser welches von den Kämmen der Wellen hochgewirbelt wird und zu Mini-Tornados geformt wird. Während die Busse die Touristenmassen bei der Vatnshellir abladen, versuchen wir mit dem Teleobjektiv einen dieser Wirbel ins Bild zu bekommen.

Auf Höhle haben wir keine Lust – vor allem wegen der vielen platzenden Touristen-Busse. Doch beim Windhosen „spotten“, fallen uns auch zwei Felsen an der Küste auf. Bald darauf biegt nach rechts auch eine kurze Stichstraße zu einen Parkplatz ab. Ein kurzer Spaziergang führt auf eine Klippe. Der erste Blick nach unten, zeigt gleich noch einen weiteren der vom Wind erzeugten Wasserwirbel.

Über eine strategisch geschickt angelegte Aussichtsplattform kann man einen Blick entlang der Klippe genießen. Unweigerlich führt der Steilküstenrand die Blicke direkt zu den Lóndrangar – den beiden vorher erspähten Felsen.

Und wie immer ergeben sich die überraschenden Motive erst wenn man sich mal vom offensichtlichen Blickfang abwendet. So ist mir erst hier der „Wolkenhut“ des Snæfellsjökull so richtig bewusst geworden.

Wolken kundige Beobachter erkennen sofort, dass der „Hut mit Lockenrand“ kein positives Wetterzeichen ist. Und das haben wir auch sehr bald am eigenen Leib zu spüren bekommen.

So war es zwar recht windig und noch trocken als das Bild entstanden ist. Aber wir fuhren los und wollten beim nur wenige Kilometer weiter östlich liegenden Arnarstapi den nächsten Halt einlegen. Als wir vor Ort auf den Parkplatz einbiegen, weht uns der Regen waagerecht ins Gesicht. Der Wind hat noch zugenommen und die Lust irgendetwas anzuschauen ist schlagartig vom Winde verweht. Auch der gehegte Wunsch über die (F)570 in die Nähe des Gletschers zu fahren, musste somit auf eine zukünftige Reise verschoben werden.

Als unsere „Ramme“ während der Fahrt nach Osten, entlang der Südküste von Snæfellsnes heftig im Wind zu schaukeln beginnt, überprüfen wir über die Isländische Wetterseite die Windgeschwindigkeiten. Die gemeldeten Spitzenwerte für das Windfeld lagen nahe an der Grenze, ab der wir nicht mehr fahren dürfen. Die gestern noch friedlich im Sonnenlicht schimmernden Seen entlang der Snæfellsnes Südküste wirken wie ein tobend schäumendes Meer.

Am Rasthof Rjúkandi legen wir deshalb eine längere Pause ein. Es gab nochmal ein wirklich leckeres „isländisches“ Burger-Gericht. Nach dem Wind befragt, behauptet das isländische Personal, die aktuellen Verhältnisse wären nur „ein leichter Sturm, es könne noch deutlich schlimmer kommen, aber nicht heute“. Das ist uns nur ein leichter Trost, denn der Tag hatte so hoffnungsvoll angefangen, aber insgesamt passte er sich in Windeseile dem Wetterrhythmus seit unserer Ankunft im Norden Islands an.

Die Pause hatte auch den angenehmen Nebeneffekt, dass der Wind ebenso schnell wie er so heftig wurde, auch wieder etwas abflaute. Wir starteten die Weiterfahrt zwar noch bei strömendem Regen. Als wir Borgarnes erreicht hatten, war es jedoch trocken. Und immer noch grau bewölkt.

Wir überlegen ob wir über die Nacht im hübsch aussehenden Borgarnes bleiben sollen. Doch es wird noch lange genug hell sein um näher an unsere morgige Tagesettape heran zu fahren. So geht es über die 50 und 518 durch ein Gebiet, in dem sich viele Bauernhöfe aneinander reihen, nach Reykholt. Wo es leider wieder regnete.

„Snorralaug im Regen“ war der letzte besuchte Ort des heutigen Tages. In Kleppjárnsreykir (ein paar Kilometer wieder zurück) finden wir den Campingplatz für die nächste Übernachtung.