Wahre Wahrzeichen

Ankunft im Kristallisationspunkt Islands

Im Rückblick erinnere ich mich nicht mehr wirklich wie der letzte Abend und die Nacht verlief. Dafür ist die Erinnerung an den Morgen und Vormittag umso lebendiger. Wir stärkten uns auf die inzwischen zur Routine gewordene „irgendwas aus dem Vorrat mit Skyr“ Art und Weise. Als wir aus den Hecken des Campingplatzes auf die Straße heraus fahren, springen uns die „frische Erdbeeren“ Schilder ins Auge. Wir staunen nicht schlecht, denn am Straßenrand stehen in einer kleinen Holzhütte mehrere Stiegen mit wunderbar roten Erdbeeren aus „eigener Erzeugung“. Wohlgemerkt: es ist Mitte September.

Wir hinterlegen mehrmals den geforderten Betrag an Isländischen Kronen und erweitern unser bisheriges Frühstück um super frische und unheimlich leckere Erdbeeren, welche aus geothermisch erwärmten Gewächshäusern stammen.

Wenige hundert Meter weiter biegen wir auf den Parkplatz vor Deildartunguhver ein. Diese große Quelle, wo kochend heißes klares Wasser an die Oberfläche brodelt, bot neben dem Ausblick auf den dampfenden Fluß, auch die Gelegenheit unser Frühstück noch um frisch gekochte Eier zu erweitern.

Die Ablenkung durch die kulinarischen Begebenheiten, lässt das Wetter zur Nebensache werden. Doch beim Aufbruch in die heutige Tagesetappe wird es kurz geprüft. Es ist noch bewölkt und alles wirkt noch grau, aber es regnet nicht. Dem erlebten Wetterrhythmus nach, müsste es besser werden. Am Horizont sind schon größere Wolkenlücken zu sehen und das stimmt optimistisch. Wir starten auf der Straße 518 Richtung Hraunfossar. Nach wenigen Minuten kommen wir am Parkplatz an.

Der Wind bewegt die im aufkommenden Sonnenlicht herbstlich bunt leuchtenden Büsche im Vordergrund noch kräftig genug, so dass sie in der Lanzeitbelichtung für den besonders fliesenden Wassereindruck, ebenfalls unscharf werden. Der aus der Lava felsigen Böschung der Hvitá fallende, genau hier wieder ans Tageslicht tretende, unterirdische Fluß bildet eine wahre Augenweide. Er wird für mich einer der schönsten Wasserfälle Islands und schlagartig stellt sich wieder dieses Islandglücksgefühl ein.

Doch wie immer ist es mit einer Attraktion nicht genug, denn unmittelbar oberhalb der Hraunfossar muss sich die Hvítá durch den Barnarfoss zwängen. Dabei drängt sich das Wasser des Flusses durch eine verwinkelte enge Felsspalte ganz unter den Steinen durch. Direkt vom Fußgänger-überbrückten Ausfluss des Barnarfoss hat man noch einen wunderbaren Blickpunkt entlang der Hraunfossar.

Auf der anderen Seite der Hvítá sind noch ein paar Wege in das Lavafeld aus dem der Hraunfossar quillt markiert. Auch hier staunt man über die herbstliche Farbenpracht, aus der ein rot leuchtender Fliegenpilz markant hervor sticht.

Im Hintergrund sieht man die Schneeweiß leuchtenden Gipfel des Langjökull und davor ein paar dunkle Berge, die darauf Hinweisen, dass das Hochland ebenfalls nicht weit entfernt ist.

Wir verlassen die Hraunfossar weiter nach Osten der 518 folgend nach Húsafell. Nach einem Hügel hat man einen wunderschönen Blick auf das Tal und den von Gletschergipfeln und Bergen umrandeten Birkenwald.

Mit einem kurzen Zwischenstopp, weil ein paar Islandpferde fotogen am Wegesrand standen, nähern wir uns der (F)550 (Kaldidalur).

In der Zwischenzeit ist der Himmel vorwiegend blau und der milchig graue Gletscherfluss fließt aus einer karg bewachsenen Steinlandschaft in das bisher üppig bewachsene Birkental. Der Landschaftswechsel ist hier sehr abrupt, aber wir sind begeistert.

Wir steuern unsere Ramme zum letzten mal in diesem Urlaub durch das raue Isländische Hochland. Linker Hand ziehen Ausläufer des Langjökull und der Þórisjökull an uns vorbei. Rechts erhebt sich der Ok. Beide sind mit frischem Schneepuder bestreut, denn das gestrige schlechte Wetter hat in diesen Lagen nun den Beginn des Winters angedeutet. Wir sind glücklich diese grandiose Landschaft in kontrastreichen, vom Sonnenlicht zum leuchten gebrachten Farben, bei einem fast wolkenlosen blauem Himmel zu erleben.

An der höchsten Erhebung der Kaldidalur sind wir wieder in Islandeuphorie und gestalten diese Panorama-Aufnahme.

Während der Weiterfahrt nach Süden bewegt sich die Sonne immer mehr in den Westen und irgendwann blicken wir auf das in einem bemoosten Tal verlaufende blaue Band der Leirá. Das ist auch das Zeichen, dass wir die Steinwüste allmählich wieder verlassen werden und nach der nächsten Bergkette in die Weite des Þingvallasveit hinab fahren werden.

Ab der Stelle wo von rechts die Straße 52 in die 550 einmündet, erleben wir Isländischen Straßenbau. Ohne jegliche Verkehrssperren wird fleißig Kies und Bitumen auf den Straße verteilt, um vom darüber rollenden Verkehr zu einer festen Masse zusammen gedrückt zu werden. Eine ehemalige Schotterpiste verwandelt sich so in eine asphaltierte Straße.

So kommen wir bald am nördlichen Besucherzentrum des Þingvellir Nationalparks an und beschließen die Nacht am hier vorhandenen Campingplatz zu verbringen. Im Westen scheint sich aber ein schöner Sonnenuntergang anzubahnen und wir beschließen einen etwas höheren Standpunkt zu gewinnen und folgen der Straße 36 nach Westen. Statt Sonnenuntergang finden wir den von Pastellfarben dominierten Blick über den Þingvallavatn bei aufgehendem Mond jedoch viel faszinierender.

Bei dem Panorama-Überblick fasziniert, wie weit man sehen kann. Die weißen Spitzen stellen sich zu unserer Überraschung als schneebedeckte Gletscher-Gipfel und nicht als Wolken am Horizont heraus.

Die Sonne ist nun hinter den Bergen im Westen verschwunden. Wir kehren zum Campingplatz in Þingvellir zurück und bereiten uns ein Abendessen zu. Draußen leuchtet die Landschaft im Licht des fast vollständigen Mondes. Dank des wolkenlosen Himmels glühen die mit Schnee bepuderten Gipfel vor dem dunkelblauen Nachthimmel, doch die erhofften grünlichen Bänder stellen sich noch nicht ein. Es dauerte eine Weile bis es soweit war und sie waren nicht so kräftig wie beim vorherigen mal, aber wir hatten Glück und erleben zum letzten mal auf während dieser Reise Nordlichter. Dieses mal mit gut erkennbarer Landschaft im Vordergrund, denn die helle Mondnacht (und ein vorbei fahrendes Auto) sorgte für wunderschöne nächtliche Farben.