Großer Fall

Sepia Farbtöne bei Europas Größtem

Als wir wach werden regnet es nicht, doch eine wesentliche Verbesserung der Sichtverhältnisse scheint sich nicht eingestellt zu haben. Also begeben wir uns ins Fjallakaffi und nehmen das dort angebotene Frühstück zu uns. Eine willkommene Abwechslung vom Camping-einerlei, welches – seit wir Skyr lieben gelernt hatten – oft durch den Verzehr eines halben bis ganzen Bechers davon bestand. Im Kaffi können wir uns an einem reich gedeckten Buffet bedienen und sitzen bequem an einem vernünftigen Tisch. Da es draußen leider immer noch trüb ist, sind wir auch nicht wirklich motiviert schnell aufzubrechen. Doch dadurch dauert es länger bis wir entscheiden, uns ein wenig in Möðrudalur um zu sehen.

 

Möðrudalur ist im wesentlichen ein alter Hof mit kleiner Kirche, einem Campingplatz, einem Kaffe/Restaurant und einer historisch anmutenden Tankstelle, malerisch in einer grünen Oase der sonst schwarz-grauen Landschaft gelegen. Die innen normal ausgebauten Häuser wurden außen im traditionellen isländischen Baustil mit aufgestapeltem Torf/Lehm und grün bewachsen, gestaltet. Nur um einmal zu erleben, wie früher getankt wurde, beziehen wir auch etwas Benzin zum „IstWasBesonders“ Preis. Inzwischen lässt sich die Sonne für ein paar Momente blicken. Wir nehmen das als Zeichen für den Aufbruch und fahren auf der 901 nach Norden, biegen an der Ringstraße 1 nach Osten ein und erreichen das erste Ziel kurz danach. Es handelt sich nur um einen Parkplatz, der den Blick nach Westen über die Möðrudalsöræfi – Möðru Tal Einöde – bietet.

Als uns wieder ein Regenschauer erreicht, starten wir nun gemäß der geplanten Route nach Westen und fahren die Ringstraße 1 entlang, bis wir nicht weit vor der Brücke über die Jökulsá á Fjöllum in die 864 einbiegen. In der Zwischenzeit ist aus den vereinzelten Regenschauern dauerbewölkter grauer Himmel geworden und die Sonne scheint sich nicht mehr zeigen zu wollen. Wir erreichen den Dettifoss von der Ostseite und sind von der gewaltigen Kraft, welche die Natur hier zur Schau stellt, natürlich tief beeindruckt. Trotz fehlender Sonne lässt sich der berühmte Wasserfall gut in Szene setzen. Das Grau des Himmels verstärkt noch die Dramatik der Szenerie.

Mein Reiseplan sah vor, den Dettifoss auf jeden Fall von der Ostseite zu besuchen, denn nur von hier aus kann man an die atemberaubende Stelle vordringen, die auch im Film Prometheus in der Anfangssequenz verwendet wurde. Und ich bin froh, dass die Sicherheitsfanatiker hier noch nicht mit Absperrseilen die Landschaft verschandelt haben.

Wie das Wasser fließen auch die Minuten dahin. Die Wogen des über den felsigen Untergrund auf die Abbruchkante zufließenden Flusses haben eine hypnotisierende Wirkung und trotz des miesen Wetters fühlt man wieder diese innere Befreiung und genießt das Glück diesen wunderschönen Ort mit den eigenen Sinnen und der Kamera erfassen zu können.

Aber in Island ist natürlich ein beeindruckender Wasserfall nicht genug. Nur dreihundert Meter flussaufwärts muss sich der Gletscherfluss vom Berge zum ersten mal von einer Klippe stürzen. Hier in eine U-förmige Schlucht, was dazu führt, dass der Fluss in vielen kleinen Wasserfällen die Höhendifferenz überwindet.

Während wir noch den Selfoss bestaunen und fotografisch zu erfassen versuchen, setzt leider endgültig ein unangenehmer Regen ein. Das veranlasst uns entgegen der Reiseplanung auf den dritten Wasserfall in der Nähe – den Hafragilsfoss – zu verzichten. Im Regen fahren wir die 864 wieder nach Süden und überqueren die Jökulsá á Fjöllum über die Brücke der Ringstraße 1 und fahren weiter Richtung Mývatn. Obwohl die Strecke bis zum Námafjall nur ca. 30 KM lang ist, verlassen wir unter Jubelbekundungen das Regengebiet und sehen am Horizont schon das warme Licht der tief stehenden Sonne zwischen den Wolken. Weil das Hochtemperaturgebiet Hverarönd am Fuße des Námafjall im Schatten des Berges liegt, verzichten wir auf eine Besichtigung heute und überqueren die Bergkette. Auf der anderen Seite blicken wir ins Tal des Mývatn während die untergehende Sonne die Landschaft durch die Wolkenlücken in goldenes Licht taucht.

Der strategisch gut gelegte Parkplatz ist ein toller Aussichtspunkt. Ohne größere Anstrengungen bietet einem Island wieder einen dieser magischen Momente, wenn man auf die durch den Vulkanismus dampfende Landschaft schaut. Und der Zeitpunkt kurz vor Sonnenuntergang lässt die Dampfsäulen hell leuchten, was jedes Fotografenherz höher schlagen lässt, obwohl es technisch eine Herausforderung sein kann. Ein zweites mal an diesem Tag steht man staunend, innerlich zufrieden und glücklich da und wünscht sich, dass die Zeit stehen bleibt.

Aus Angst vor zu vielen Mücken entscheiden wir den Campingplatz Hlíð, welcher an der Zufahrt zum Flughafen von Reykjahlíð gelegen ist, zu nehmen. Der Tag endet mit einem „leckerem“ Dosen-Köttbular mit Kochbeutelreis Abendessen und guten Wetteraussichten für den kommenden Tag.