Unbesichtigt

Vor Ort und trotzdem nichts gesehen

In der Nacht zum Sonntag setzte der Regen ein. Insofern gab es auch keinen Grund mehr zu hoffen, dass im Morgenlicht die Flanken des Vesturhorns ein grandioses Motiv darstellen würden. Das tröstet nur wenig über den gestrigen Verlust des Weitwinkelobjektivs hinweg. Überlegungen irgendwie kurzfristig Ersatz zu bekommen, würden teure Kurierdienste oder über 900 km Fahrt nach Reykjavík und zurück bedeuten. Zudem ist der Preis auf der Internetseite eines Shops in Reykjavík ungefähr doppelt so teuer, als wenn es in Deutschland gekauft werden würde.

Also beschließen wir nach einem ausführlichem Frühstück unsere geplante Reisetour fortzuführen. Das Ziel ist Egilsstaðir und der Weg dahin soll durch die Ostfjorde und den Öxi Pass führen. Doch heute ist wieder so ein Tag, an dem man am besten nicht aus dem Haus geht. Die gesamte Strecke entlang der Ringstraße bis in die Nähe von Djúpivogur regnet es unablässig.

Entlang der Südküste des Berufjörður ins Landesinnere ist die Wolkendecke etwas strukturierter und es gibt die Hoffnung am Öxi doch noch etwas die Landschaft genießen zu können. Dort angekommen ist es zwar trocken aber die Bergspitzen hängen trotzdem in den Wolken und die Licht-Stimmung ist eher flach.

Den Wasserfall der Berufjarðará hatten wir als mögliches Fotomotiv in der Reiseplanung. Doch bei den vorherrschenden Lichtverhältnissen gelingen mir nur mittelmäßige Bilder. Und das obwohl wir eine kleine Wanderung vom Parkplatz zur Oberkante des Wasserfalls unternommen haben. Doch Michis letztes Foto des Motivs wird doch noch etwas.

Als Michi – wieder in der Nähe des Autos – letzte Fotos macht, sieht man wie der Regen den Fjord hochzieht und uns auch bald wieder einholt.

Trotzdem folgen wir der Passstraße bis zum erneuten Eintreffen auf der Ringstraße 1. Doch entgegen der Abkürzungsmöglichkeit, welche die Öxipassstraße bietet, fahren wir auf der hier nicht asphaltierten Ringstraße 1 wieder bergab Richtung Breiðalsvík. Doch das Wetter ist gnadenlos und es regnet und regnet. Nichts was zu Fotostopps animieren würde. Und so folgen wir der Straße 96 entlang der grauen Küste bis sie selbst durch den Tunnel in den Reyðarfjörður die Weg-Strecke verkürzt.

Dies ist der bislang langweiligste Tag des Urlaubs. Auch die Stimmung unter uns ist wohl dem Wetter und den gestrigen Umständen geschuldet etwas gereizt.

So sind wir froh als wir in Egilsstaðir ankommen und es trocken ist. Im Verlauf der 92 durch das Fagridalur und Eyvindarádalur hörte auch der Regen auf und man erblickte das gelbliche Leuchten eines Sonnenuntergangs Richtung Westen. Der Wetterbericht macht aber keine großen Hoffnungen für den morgigen Tag. Statt selber Abendessen zu zubereiten begnügen wir uns mit Tankstellenpizza gefolgt von (selbst gekauftem) Skyr als Dessert.

So geht ein deprimierender Reisetag zu Ende und die Ostfjorde bleiben ein nicht besichtigtes Ziel, obwohl wir dort waren. Der Campingplatz in Egilsstaðir ist schon im Nachsaison-Modus: Campen und Duschen erlaubt, Geld einfach einwerfen. Also stellen wir die Ramme ab und verkriechen uns möglichst schnell ins Bett um diesen Tag zu verdrängen.